Jahre hat es gebraucht, bis die Politik in Deutschland endlich aufgewacht ist. Grausam aufgewacht durch den Krieg Russlands in der Ukraine. Jetzt ist “Zeitenwende”! Endlich.
Seit 2006, also noch ein Jahr vor dem Krieg in Georgien, war es zu beobachten. Es gab Warnungen, dass die Abhängigkeit von einer Quellen zu groß wird. Altkanzler Schröder selbst erklärte 2003, dass maximal 1/3 der im Land benötigten Energielieferungen aus ein und derselben Quellen kommen sollten. Und dann? Die Lieferungen stiegen und stiegen, nicht nur beim Gas, aber auch beim Öl und bei der Kohle.
Öl und Kohle sind bewegliche Güter und an vielen Stellen zu haben, geostrategisch also kein Problem, sie aus andere Quellen zu erwerben. Scheint es. Doch tatsächlich ist es komplizierter. Das zeigte sich sehr deutlich nach der Besetzung der Ost-Regionen in der Ukraine, Luhansk und Donesk, die Kohle für die benachbarten Kraftwerke geliefert hatten. Ersatz beschaffen – das war schwierig, denn es musste genau die chemische Zusammensetzung sein, die bisher die Kohleöfen der Kraftwerke angeheizt hatten.
Kraftwerke sind empfindliche und hochtechnische Gebilde. Zu viel Asche bei der Verbrennung der Kraftwerkskohle – und schon streiken die Öfen. Die vergleichbare, passende Kohle gab es damals nur in Australien – aber deren Kontingente waren bereits aus Jahre an China verkauft. Und es gab die passende Qualität in Südafrika. Aber die Umschlagsanlagen in den dortigen Häfen waren überlastet. Weitere Lieferungen in die Ukraine also unmöglich.
Wäre doch die Nabucco Pipeline gebaut worden! Sie sollten Gas aus dem so genannten südlichen Korridor nach Europa bringen. Durch den Kaukasus sollte das Gas bis in die westliche Türkei fließen, und von dort nach Norden durch die Länder im südöstlichen Europa, die noch bis heute an den Leitungen der Gasprom hängen. An drei Stellen entlang der Route sollten Gasspeicher entstehen, für alle Fälle!
Doch das Nabucco-Konsortium tagte und vertagte sich, immer wieder, es gab Wechsel in den Beteiligungen, die RWE trat aus, die Gasprom trat mit ein, und schließlich besiegelte man das Ende der gemeinsamen Arbeit.
Eine weitere Quelle für Gas sollte der Import von Flüssiggas oder LNG sein. Doch über Jahre geschah nichts. Nur wenige Teile der Küste sind zum Anlanden von LNG geeignet, und die am Besten geeignete Stelle für einen Terminal wurde von einem Energie-“Elefanten” besetzt ohne zu Bauen. Der Düsseldorfer Energiekonzern begann mit ersten Anträgen und Bauvorbereitungen – und stellte sie wieder ein. Er hatte nur scheinbar die Absicht zum Bauen, ließ aber auch keine anderen Firmen in die Stelle. Das informierte Kartellamt unternahm nichts. Auch weitere Behörden schauten zu, ohne tätig zu werden.
Nachfragen beim Wirtschaftsministerium ergaben, dass man staaatlicheseits kein Interesse an dem LNG Thema habe – der Markt werde das regeln! In drei Interviews ergab sich dazu nichts Neues. Der Einwand, es gehe doch um ein nationales Interesse, um nichts weniger als denn Energie-Sicherheit, schien keine Thema. Wenn es weniger Gas aus Russland gäbe, könne man LNG aus den Niederlanden importieren. Dass die Kapazitäten dort bei Weiten nicht ausreichen würden, wurde ebenfalls nicht weiter ernst genommen. Dabei war es offenkundig!
Jetzt haben wird das Problem! Es hätte nicht so weit kommen müssen – da haben Verantwortliche nicht ihre Arbeit gemacht, nicht hingeschaut, und auf Warnungen nicht reagiert! Warum? Es gibt noch viele offene Fragen – die müssen jetzt auf den Tisch.
Meine früheren Beiträge zm Thema:
Besonders zu empfehlen ist diese Studie:
weiter:
Die (un-)endliche Geschichte: Die transkaspische Pipeline. In: OstContact – das Wirtschaftsmagazin, März 2020
Caspian Region: An important energy partner für the EU. Caspian Energy Journal pp. 62-65. Aug./Sept. 2013
Aserbaidschan liefert Gas für Europa: Welche Route macht das Rennen? FOCUS, 25.06.13
Poker um Energieversorgung: Das miese Spiel um billiges Gas. Aserbaidschan will Europas Gasversorgung sichern und den Berg-Karabach-Konflikt lösen. FOCUS, 13.05.13
Europa guckt in die Röhre. Viel Konkurrenz, wenig Erdgas: Nabucco vor dem endgültigen Aus. FOCUS Magazin, 30.01.2012
Öl-Experten-Uni in Baku. 2´58 WDR, Profit, 29.09.2011
Der Talk: Energiepolitik. 55 min Gespräch mit Stephan Kohler: Als Chef der Deutschen Energie Agentur (dena) lenkt Stephan Kohler den Umbau zu regenerativen Energien von höchster Stelle. Windräder und Biogasanlagen, Wasserkraft und Sonnenlicht erzeugen schon heute 17 Prozent unseres Stroms. Von den großen politischen Themen wie Klimaschutz und Wirtschaftsentwicklung bis zu den Detailfragen zu umweltschonenden Waschmaschinen kennt sich Stephan Kohler aus. NDR Info, 25.12.2009
Gas aus Turkmenistan. Erfolgsaussichten und Probleme. Zentralasien-Analysen, 01.06.2008
Neue Erdgas-Pipeline im Kaukasus: Russland macht Politik mit Energie. 3´00. Deutsche Welle. 02.11.2006
Flüssiggas: Neuer Umschlagplatz im Norden. Das Ende der Tiefschlafphase. Rheinischer Merkur. 30.03.2006
Das Forum: Kohle aus Russland. 28´22 NDR Info. 03.05.2004