Baku hat gefeiert. Mit einer große Parade zelebrierten die Präsidenten von Aserbaidschan und der Türkei, IIham Alijev und Recep Erdogan, den Sieg. Die Rückeroberung von Karabach bedeutet viel für Aserbaidschan, insbesondere für diejenigen, die 1994 blitzartig aus den Gebieten um Karabach fliehen mussten und alles zurück ließen. Ebenso ging es jetzt den Armeniern.
Seit 1994 warteten Armenien und Aserbaidschan auf eine diplomatische Lösung des Konflikts. Vier Appelle der UN, die Armenier mögen sich von den besetzten Gebieten Aserbaidschans zurückziehen auf ihr Staatsgebiet, hatten nichts bewirkt. Und auch die immer wieder angesetzten Sitzungen der Minsk-Gruppe brachten keine Lösung. Wie auch, wenn die Zusammensetzung der Gruppe schon ein deutliches Indiz dafür liefert, dass die Interessenlage der Beteiligten eine andere ist. Konnte Russland ein Interesse an einem Frieden haben, wenn doch die Waffengeschäfte mit beiden Kriegsparteien prächtig liefen? Und Frankreich? – Besonders Baku wartete darauf, dass rund 1 Million Flüchtlinge wieder in ihren Heimat zurückkehren könnten. Es ist zu vermuten, dass den Akteuren in Aserbaidschan die Geduld ausging. Krieg entsteht, wenn die Diplomatie versagt.
Mit dem Krieg, in dem wohl 5000 Menschen starben, hat Aserbaidschan die Hoheit über Regionen wieder hergestellt, die es 1994 verloren hatte. Das vereint die Aserbaidschaner hinter ihrem Präsidenten. ‘Aber was auf den ersten Blick eine Lösung des jahrelang schwelenden Konfliktsit ist, wirft bei genauerem Hinsehen viele neue Fragen auf. Der Kaukasus steht jetzt wieder im Zentrum internationaler Spannungen. Viele der dort direkt oder indirekt engagierten Aktuere haben sich noch nicht positioniert.
Da sind zunächst die beiden Kriegsparteien, dann Russland, die Türkei, die USA, der Iran, China, und mit ihnen noch weitere, deren Interessen in der Region weniger offensichtlich sind – so auch Kasachstan, das über die Leitungen im Kaukasus Öl in den Westen verkauft, und auch Turkmenistan, und vielleicht bald auch Usbekistan?
Die Anwohner der Region, die neuen und die früher dort wohnenden, werden einen Weg finden müssen, wie sie miteinander umgehen. Die über Jahre aufgeheizte Stimmung, der über Generationen aufrecht erhaltene und gepflegte Hass lebt wieder auf – der Krieg als ein Beweis. Ihn zu überwinden wird eine nicht einfache Aufgabe.
Auf internationale Ebene gibt es Kräfteverschiebungen, die mit dem neuen Waffenstillstand Russland wieder eine stärkere Rolle im Kaukasus einräumen – als Wächter über den Frieden. Moskau dürfte das gefallen. Es hat sich aus dem Krieg herausgehalten und damit den in Armenien regierenden Präsidenten geschwächt. Ohnehin war der ein Freund vieler Reformen, die Moskau nicht gefielen. Den USA und Georgien dagegen schon, und auch den anderen westlichen Demokratien. Die Pipelines im Kaukasus blieben unversehrt, so dass die USA, Großbritannien und die Türkei ihre Interessen nicht bedroht sehen, und auch nicht Italien, dass demnächst das über die neue SCP-TANAP-TAP Pipeline jetzt ins Land kommende Kaspisches Gas weiter nach Europa leiten wird.
Gefallen an der ihrer neuen Rolle hat auch die Türkei, deren Präsident sogar auf der Siegerbühne stehen durfte. So mancher fragt sich, wie weit die Freundschft reicht. Die Türkei hat Aserbaidschan den Rücken gestärkt und modernste Wafffen geliefert. Aber will der türksiche Präsident seine Freundschaft noch weiter nach Osten ausdehnen? Kommen jetzt Pantürkische Ambitionen ins Spiel, die bis nach Zentralasien reichen?
Für den Iran könnte es jetzt neue Optionen geben, solte es doch noch Gas nach Europa liefern wollen oder seine Handelswege dorthin ausbauen. Und auch für die neue Seidenstraße, oder auch Belt and Road Initiative BRI genannt, führt ein Weg vom Osten nach Europa über den Kaukasus.
Jetzt wird sich auch die internationale Gemeinschaft positionieren müssen, auch die bisher so schweigsame EU.