Usbekistan: Reform der Verfassung – Constitutional changes

Es ist ein Meilenstein, ein weiterer, großer Meilenstein: Usbekistan ändert seine Verfassung hin zu einer unabhängigen, souveränen, demokratischen, rechtsstaatlichen und säkularen Republik. Über die Hälfte des Textes, der die Grundlinien des Staates beschreibt und das Verhältnis der Usbeken zu ihrem Land und Gemeinwesen beschreibt, erhält neue Texte. Entwickelt wurden sie in einem lagen und breit angelegten Dialog von staatlichen Stellen und der Gesellschaft.
Der Staat Usbekistan setzt neue Prioritäten. War es früher der Staat, der alles bestimmte, so stehen mit der neuen Verfassung der Bürger und sein Wohlergehen an oberster Stelle. Der Staat dient dem Bürger. Und nicht mehr der Bürger einem Staat, der alles regelt. So war es früher. Jetzt, der neuen Verfassung, soll jeder Bewohner des Landes sagen können: Das ist meine Verfassung.

Seit über 30 Jahres ist Usbekistan ein souveräner Staat, nach dem Ende der Sowjetunion aus ihr hervorgegangen. Das Erbe dieser Zeit hielt sich lange, auch in der Verfassung der Nachfolge-Staaten. Im Zentrum stand der Gedanke, dass der Bürger dem Staat zu dienen habe. Doch die Zeiten haben sich geändert. Jetzt, mitten in der Transformation zu Demokratie Marktwirtschaft, gibt der Staat Usbekistan seinen Bewohnern eine neue Stellung. Der Bewohner wird zum Staatsbürger.

Die neue Verfassung zeigt die Veränderungen, die sich auf fast alle Lebensbereiche auswirken. Herausragend verändert sich, dass dem Staat auch Grenzen auferlegt werden. Er darf nur im Rahmen der Verfassung in das Leben der Menschen eingreifen. Sie begrenzt den Staat in seinen Handlungsmöglichkeiten und betont die Beachtung der Menschenrechte, der persönlichen und der Freiheitsrechte. Erstmalig erhält der Bürger in der neuen Verfassung das Recht auf eine freie Entwicklung der Persönlichkeit. Begrenzt wird sie nur durch die in der Verfassung festgeschriebenen Rechte auf Wahrung der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, und von öffentlicher Sicherheit und Ordnung. Auch Staatsbürger, die im Ausland leben, schützt die Verfassungen und gibt ihnen dieselben Rechte wie denen im Land.

Wird ein Bürger festgenommen, muss er über seine Rechte belehrt werden. Auch in diesem Punkt respektiert der Staat jetzt den Bürger mit seinen persönlichen Rechten, bevor der Staat als Akteur seine Macht ausüben darf. Wer ein Vergehen begangen hat, erhält dennoch das Recht auf Schweigen, und das Recht auf anwaltliche Begleitung – in jeder Phase einer Anklage.
Festnahmen und Gefängnisaufenthalte dürfen nur nach richterlichem Beschluss erfolgen. Liegt der vor, hat die festgenommene Person dennoch ein Anrecht auf private Korrespondenz, private Telefongespräche, und weitere persönliche Kommunikation. Ohne richterliche Anordnung darf niemand länger als maximal 48 Stunden seine Freiheit genommen werden.

Auch hier zeigt sich ein wichtiger Punkt, der in der Vergangenheit anders erfolgte. Kritisch anmerken lässt sich, dass die Voraussetzung dafür eine unabhängige Justiz ist. Die zu installieren und zu pflegen ist eine der Aufgaben, die die neue Verfassung ebenfalls jetzt umfangreich regelt.

Zum ersten Mal gilt nun, dass ein Beschuldigter so lange als unschuldig gilt, bis ihm die Tat und damit eine Schuld nachgewiesen wird. Im Zweifel also für den Angeklagten oder auch „presumption of innocence“. Wer beschuldigt wird, muss über seine Rechte aufgeklärt und befragt werden, ob er die Anschuldigung und die rechtlichen Belehrungen versteht. Die Verfahrensweise ähnelt damit den Vorbildern in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Die Todesstrafe ist abgeschafft.

Ein neues Kapitel ist der Schutz persönlicher Daten. Hier wie auch in anderen Ländern hat sich ein neues Bewusstsein entwickelt. Das Internet mit seinen positiven, aber auch seinen Schattenseiten hat auch in Usbekistan dazu geführt, dass die Verfassung den Bürger mit seinen Daten schützen soll. Dieses schwierige Kapitel ist hier wie auch in vielen anderen Staaten noch eines, dass zwar installiert, aber letztendlich in der Ausführung noch im Fluss ist, so wie auch der technische Fortschritt stetig Neuerungen bringt, die dann einer rechtlichen Regelung bedürfen. Die Grundlagen dafür sind in der neuen Verfassung geschaffen.

Das Recht auf Freizügigkeit, Selbstbestimmung von Wohn- und Arbeitsort haben jetzt einen festen Platz im Katalog der Neuerungen. Fast erscheinen sie selbstverständlich, doch wer nach China oder Russland schaut, sieht andere Modelle. Auch an diesem Punkt wird deutlich, dass der Staat jetzt weniger eingreift und jetzt dem Bürger den Vorrang eingeräumt.

Zwangsarbeit und Kinderarbeit sind verboten. Für beide war Usbekistan in den vergangenen Jahrzehnten vielfach kritisiert worden. Doch die erfolgreiche Kampagne in der Baumwollindustrie hat gezeigt, dass der Staat wirkungsvolle Maßnahmen gegen beide umgesetz hat. Die erfolgreich getroffen Maßnahmen gelten als Vorbild für Länder, in denen halbherzige Versuche einer Eindämmung von Kinderarbeit weitgehend wirkungslos blieb und bleibt.

Kinder schützt die neue Verfassung in besonderem Maße. Ihr Wohlergehen, ihre körperliche und seelische Entwicklung entsprechend den Werten von Gesellschaft und Staat werden hervorgehoben. Sie sollen stolz auf das Erbe ihres Landes und seine Traditionen sein.

Dazu gehören auch der Schutz von Natur und Umwelt. Während viele Staaten noch zögern, wie und wo sie den Schutz sichern, hat Usbekistan ihn bereits in seine Verfassung aufgenommen.

Jeder Bürger Usbekistans hat ein Recht auf kostenlose Bildung. Auch höhere Bildung soll kostenfrei, aber Wettbewerbs-orientiert sein. Höhere Bildungsinstitute wie Universitäten dürfen sich selbst verwalten, mit akademischer Freiheit forschen und unterrichten. Auch die finanzielle Seite regeln sie jetzt selbst. Die lenkende Hand des Staates ist nicht mehr vorgesehen. Damit reiht sich Usbekistan ein in internationale Standards, die den Forschenden und Unterrichtenden neue Möglichkeiten einräumt.

Sie und die Lehrenden, Lehrer und alle Unterrichtenden erhalten besondere Aufmerksamkeit. Ihre Rolle als Erziehende, und in gewisser Weise fundamental wichtige Personen für die Gesellschaft und die Zukunft eines Landes würdigt die neue Verfassung ausdrücklich. Sie entwickelten und fördern das spirituelle und kulturelle Potential ihres Landes, heisst es. Ihre Würde und Ehre wird geschätzt, ebenso wie ihr soziales und materielles Wohlergehen. Die Wertschätzung geht über das hinaus, was Länder wie Deutschland, Portugal, Ukraine, Chile, Uruguay and andere in ihre Verfassung geschrieben haben.
Usbekistan nimmt damit seine alte Tradition auf als ein Land, dass der Bildung einen sehr hohen Stellenwert einräumt. Im Mittelalter waren Taschkent und Samarkand die Städte mit den weltweit wichtigsten Gelehrten, die dort unterrichteten und forschten.
Wie wichtig die Bildung für ein Fortkommen des Staates ist, zeigt sich in vielen Ländern. Die Wirtschaft kann prosperieren, wenn die zum einen genügend Investitionen, zum anderen Ideen und gebildete Personen im Lande sind.
Für die Wirtschaft setzt die Verfassung neue Impulse: Der Staat soll für eine gutes Wirtschaftsklima sorgen, damit sich der Warenaustausch entwickeln kann. Gleichzeitig soll es keine Monopolen geben; für diese Fälle behält sich der Staat Maßnahmen vor.

Wichtig für den Warenaustausch im Land und über die Grenzen hinaus ist es, dass die Außenpolitik dafür gute Voraussetzungen schafft. Die Grundzüge der neuen, ausgewogenen und auf gute Nachbarschaft ausgerichteten Außenpolitik zeigten sich bereits gleich nach der Amtsübernahmen von Präsident Mirziyoyev 2017: Mit allen Nachbarstaaten stellte er gute Beziehungen her und beendete jahrelange Differenzen. Einen multivektorale Ausrichtung, Frieden und die Achtung der territorialen Integrität anderer Staaten gehören zu den Eckpfeilern der Außenpolitik.

Reformen in Rechtswesen starteten bereits 2017. Ein unabhängiger und autonomer Supreme Court wurde installiert, der die Grundzüge der Verfassung, die Unabhängigkeit der Richter und Gerichte, und die Demokratisierung im Land begleitet und stärkt. Jeder der gewählten höchsten Richter übt sein Amt zehn Jahre aus. Ein Wiederwahl ist nicht zugelassen.
Die Neuerungen in der Justiz sind sehr umfangreich. Sie zielen ab auf eine unabhängige, auf der neuen Verfassung beruhende Justiz, die so die Grundlagen für einen modernen, demokratischen Staat legen.

Neue Normen, eine staatliche Garantie für die Freiheit der Medien, Meinungsfreiheit, Offenheit und Transparenz bei allen staatlichen Entwicklungen und Entscheidungen sollen die Dialog zwischen Gesellschaft und Staat auf ein qualitativ neues Niveau heben.

Es ist eine große Reform, die jetzt auf den Weg kommt und die seit 2017 andauernden Reformen weiter stärkt. Sie legt das Fundament für das neue Usbekistan. Im Zentrum der Reform steht der Staatsbürger, der auf einer stabilen Rechtsgrundlage mehr an den Entwicklungen im Staat mitwirken und Teil haben kann und soll. Dazu hat er mit der neuen Verfassung neue Möglichkeiten für Initiativen und direkten Einfluss auf wichtige Entscheidungen in seinem Staat, für sein Leben, und in seiner Lebensgestaltung. Ein wahrer Meilenstein für Usbekistan und seine Bewohner.
Am 30. April stimmten die Bürger Usbekistans in einem landesweiten Referendum über die neue Verfassung ab. Über 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten der Reform zu.

Folgen müssen jetzt noch Reformen im Rechtswesen, damit die Bürger ihre neuen Rechte einfordern können. Korruption wird weiter ein Thema bleiben, mit dem die Regierung sich beschäftigen wird. Und wird der Präsident tatsächlich auf Lebenszeit im Amt bleiben wollen? Es wäre für die Region nicht ungewöhnlich. Aber zu einem demokratischen Rechtsstaat passt ein solches Modell nicht. Da wäre doch eher angesagt, die Amtsdauer zu  begrenzen.

In jedem Fall ist die Änderung der Verfassung ein großer Schritt hin zu einem modernen und demokratischen Staat!

Referendum, Auszählung der Stimmen am Sonntagabend, 18 UHR

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