Fliegender Bote

Fliegender Bote

Je länger meine Reise dauert, desto leerer wird  mein Koffer. Geschenke wandern zu den Empfängern: Wollsocken mit Gumminoppen für verschiedene Freunde, Nivea-Creme – diese Produkte sind im  Kaukasus beliebt und teuer, Kinderkleidung – die gibt es, ist aber teuer,  Bücher für den Liebhaber deutscher Gedichte – englische Literatur gibt es dort viel, in Tiflis sogar einen ganzen Laden nur mit englischen Titeln, aber nichts in Deutsch, Diabetiker-Schokolade  – solche Produkte gibt es gar nicht, und CDs für einen Verehrer deutscher Orgelwerke – die gibt es , sind aber rar; außerdem zwei Halstücher, Kühlschrankmagneten mit Hamburg-Wappen und Quietsche-Enten mit LED-Leuchte im Schnabel – eine Kombination aus Spaß und Nutzen. Ohne all diese Utensilien sollte der Koffer auf der Rückreise eigentlich leichter als auf dem Hinweg. Doch weit gefehlt. Tatsächlich gibt es einen Warenaustausch. Zum Abschied gibt es Geschenke: sechs Liter Wein aus Georgien, angebaut auf dem Weinberg eines guten Freundes, Süßigkeiten aus Aserbaidschan, beides für den eigenen Bedarf, und dann kommen da noch die vielen kleinen Freundlichkeiten für Botendienste für Freunde und Verwandte aus dem Dunstkreis der Freunde und der Bekannten und der Freunde der Freunde:Zwei Kilo Kuchen für den Sohn der Freundin einer Freundin, dazu  ein Pfund Kräutertee aus dem kaukasischen Garten, ein Pfund getrocknete Minzblätter, ein knappes Kilo Kräuter für irgendwelche kaukasischen Speisen, ein Kilo Süßigkeiten für die Gastfamilie des Sohnes einer Bekannten, eine Steuererklärung zur Weiterleitung ins Ausland, ein Geldschein für den Enkel der Freundin einen Freundin.

„Sie haben nur einen Koffer?“ fragt eine Bekannte, können sie da vielleicht noch …“Nein“, sage ich schnell „Ich habe zwei Gepäckstücke, und mehr ist nicht erlaubt.“

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