Ende des Boykotts muss kommen – usbekische Baumwolle

Der Boykott gegen Baumwolle aus Usbekistan sollte aufgehoben werden. Darin waren sich die Teilnehmer einer Runde von internationalen Experten, Vertretern von Ministerien und Fachleuten aus der Wirtschaft einig. Bei einem Runden Tisch am 26. April 2021 auf Einladung der Auswärtigen Amtes der Bundeswirtschaftsministeriums erörterte die hochkarätige Runde die Entwicklungen in Usbekistan in den vergangenen fünf Jahren und beleuchteten die Arbeitsbedingungen in der Baumwollernte und Baumwollproduktion.

Der Boykott gegen Baumwolle aus Usbekistan sollte aufgehoben werden. Darin waren sich die Teilnehmer einer Runde von internationalen Experten, Vertretern von Ministerien und Fachleuten aus der Wirtschaft einig. Bei einem Runden Tisch am 26. April 2021 auf Einladung der Auswärtigen Amtes der Bundeswirtschaftsministeriums erörterte die hochkarätige Runde die Entwicklungen in Usbekistan in den vergangenen fünf Jahren und beleuchteten die Arbeitsbedingungen in der Baumwollernte und Baumwollproduktion.

Aus unterschiedlichen neutralen Quellen wurden großen Verbesserungen in den Bereichen Arbeits- und Umweltbedingungen hervorgehoben. Besonderes Gewicht in der Runde hatte der Däne Jonas Astro, Vertreter der ILO (International Labor Organization, eine Agentur der UN) mit Sitz in Taschkent. Das Jahr 2020 war ein besonderes, stellt er fest, es gab keine Kinderarbeit und praktisch keine Zwangsarbeit mehr in Usbekistan.

Wegen der prekären Arbeitsbedingungen in früheren Jahren, Kinder- und Zwangsarbeit bei der Baumwollernte in Usbekistan, hatte die “Cottoncampaign” 2003 zum Boykott usbekischer Baumwollprodukte aufgerufen. Usbekistan ist weltweit der 6-t größte Produzent von Baumwolle, nach China und vor Indien und der Türkei. Aber nur in den GUS Staaten fand die zuvor begehrte usbekische Baumwolle weiterhin Kunden. Grund für den Boykott waren die damals noch üblichen Erntemethoden: Ganze Schulen und Universitäten schlossen für mehrere Wochen zwischen September und November ihre Türen. Gemeinsam fuhren Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Professorinnen und Professoren, Studentinnen und Studenten auf das Land zur Baumwollernte.
„Als ich ein Kind war, habe ich wegen der Baumwollernte leider viele Schulstunden verpasst“ erklärt Dilshoda Shodmonova. „Heute, dank der Reformen, kann meine Tochter ohne Unterbrechungen zur Schule gehen und eine gute Ausbildung bekommen. Das bestärkt mich, mich weiter als Aktivistin für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen.“

Neue Politik, viele Reformen

Die alten Zeiten sind vorbei. 2016 wählten die Usbeken einen neuen Präsidenten: Schafkat Mirziyoyev. Mit seinem Amtsantritt leitete er einen radikalen Wechsel der Politik ein. Statt der bis dahin bestehenden Abschottung nahm der neue Präsident den Kontakt mit allen Nachbarn des Landes auf und öffnete die Grenzen. Gleichzeitig brachte zahlreiche Reformen zu Demokratie und Marktwirtschaft auf den Weg, reformierte das Bildungswesen und forderte alle Bürger des Landes auf, daran mitzuwirken. Das waren ganz neue Töne.

Schon bei der Baumwollernte 2018 blieben Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen und Universitäten setzten ihren Lehrbetrieb fort. Der Bildungsminister selbst hatte sich mit unangekündigten Besuchen auf dem Baumwollfeldern davon überzeugt. Inzwischen arbeiten fast nur noch bezahlte Erntehelfer auf den Feldern, zu deutlich über 90 Prozent, wie der Vertreter der ILO feststellte.

Baumwollernte ohne Zwang und ohne Kinder

Seine Stimme hatte besonderes Gewicht in der Runde, denn die ILO ist eine unabhängige, internationale Institution der Vereinigten Nationen. Seit 2013 führt sie Monitorings in Usbekistan durch, seit 2015 mit besonderer Prüfung von Kinder- und Zwangsarbeit. Auch in den kommenden 12 Monaten wird das Monitoring fortgesetzt.
„2020 war ein besonderes Jahr“ stellte er fest, „systematische Zwangsarbeit und Kinderarbeit in Usbekistan findet nicht mehr statt.“ Zu diesem Ergebnis kommt die ILO nach einer gründlichen Prüfung. 9000 Interviews führten die 70 geschulten, unabhängigen Männer und Frauen durch, mit denen die ILO seit mehr als zwei Jahren arbeitet. Sie waren in allen Provinzen und Distrikten von Usbekistan unterwegs. Weitere 400 Inspektoren von usbekischer Seite verfolgten die Einhaltung der Arbeitsvorschriften. „Sicher sind wir nicht die einzigen, die ein gutes Monitoring machen“ stellt Jonas Astro fest, „aber wir sind überzeugt, dass unsere Ergebnisse glaubwürdig sind.“ Er hofft, dass sie weiterhin dazu beitragen, politische Entscheidungen in Usbekistan und außerhalb zu treffen.

Bezahlte Erntehelfer

Die Ergebnisse vom Monitoring der Baumwollernte 2020 beeindrucken: Rund zwei Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an der Baumwollernte teil und somit jede 8. Person im arbeitsfähigen Alter in Usbekistan. Das Anwerben der Erntehelfer 2020 war eine besondere Herausforderung durch die Corona-Pandemie. 61 Prozent der Erntehelfer waren Frauen. Rund 80 Prozent der Helferinnen und Helfer kamen aus ländlichen Regionen. Im Durchschnitt arbeiteten sie 21 Tage bei der Ernte. Kinder waren nicht dabei. Die Anstrengungen der Regierung zur Beendigung von Zwangsarbeit seien sehr ernst, stellt der Bericht der ILO fest. Vereinzelt, bei vier Prozent der Erntehelfer, gab es eine Androhung von Konsequenzen, wenn die Erntehilfe verweigert würde.
Die Inspektoren der Regierung seien pro-aktiv in Land unterwegs und gingen Verstößen ernsthaft nach, stellt der Bericht fest. Die Reformen in der Agrarwirtschaft seien wirksam und würden auch Risiken mindern. Außerdem würden sie für mehr dringend benötigte Arbeitsplätze sorgen. Ihre Einhaltung habe gute Wirkung auch auf andere Bereiche der Wirtschaft.

Internationale Arbeitsstandards und mehr Maschinen

„Die internationale Gemeinschaft sollte die Reformen in Usbekistan unterstützen,“ stellt Jonas Astro fest. Die ILO ist überzeugt, dass Handel und Investitionsentscheidungen von verantwortlich handelnden, internationalen Firmen dazu beitragen werden, das Erbe der alten, zentralistischen Wirtschaft endgültig abzulegen und zur Einhaltung internationaler Arbeitsstandards weiter beitragen werden.

Ein langsamer Übergang zu mehr Maschinen bei der Ernte wird weiter dazu führen, dass internationale Firmen die Risiken von prekären Arbeitsbedingungen mindern und zuverlässige Lieferketten herstellen können. Deshalb will die ILO internationale Firmen unterstützen, die Geschäfte in Usbekistan anbahnen wollen, sie zu informieren und zu beraten.

Die Baumwollindustrie in Usbekistan ist das Rückgrat der Wirtschaft der Landes. Der Bericht der ILO ist ein Meilenstein, der die Reformbemühungen der letzten Jahre würdigt und belohnt. Wenn der Boykott entfällt, werden große Ketten wieder mit gutem Gewissen in Usbekistan einkaufen können.

Gute Aussichten

Baumwolle wird es weiter in großen Mengen geben. Allerdings wird sich einiges ändern: Nachhaltigkeit spielt jetzt eine wichtige Rolle. Die GIZ unterstützt die gesamte Wertschöpfungskette, den Nützlingseinsatz, die Bewässerung und die Nachhaltigkeit, weiss Florian Nitzinger von der GIZ. Die Anbauflächen werden reduziert und weiter verarbeitende Industrien in Clustern im Land angesiedelt, damit die Effizienz in der Produktion steigt und die Wertschöpfung in Land bleibt.
Die Rahmenbedingungen seien weiter auf gutem Weg, stellt Dr. Andreas Nicolin vom Bundesministerium für Wirtschaft in Berlin fest. Die Investitionsbedingungen hätten sich gut entwickelt.
Gute Aussichten gibt es auch für die Exporte aus Usbekistan und Importe in die EU. Mit den gerade beschlossenen GSP+ Konditionen können Waren aus Usbekistan zu vergünstigten Tarifen in die EU eingeführt werden. Die Aussichten auf nachhaltig produzierte Baumwolle aus Usbekistan sind somit gut. Die Textilindustrie kann mit gutem Gewissen dort investieren und handeln – sobald der Boykott beendet ist. Das sollte in Kürze geschehen.

Birgit Wetzel, 28.4.21

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