Der wilde Kaukasus wird zahm?

Sind es Inseln oder läuft da ein Prozess? Der Alltag in Georgien und Aserbaidschan wandelt sich, der Einfluss Europas zeigt sich jetzt in vielen kleinen Dingen. Einiges ändert sich hier wie an vielen Orten: Mehr Handys, mehr Autos, mehr Internet.

Und dann gibt es die viele kleine Veränderungen, wo im Kaukasus neue Strukturen entstehen, Veränderungen, die alltäglich und damit auch fundamentaler sind. Die Inseln werden zu einem Prozess, die Annäherung an Europa zeigt sich in ganz vielen Bereichen.

Sehr deutlich sieht man den Wandel auf den Straßen. Da fahren regelmäßig Busse, wo früher zu irgendwelchen Zeiten Marschrutkas an beliebiger Stelle am Weg ihre Fahrgäste ein- und ausluden. Für die Busse gibt es feste Haltestellen. Wer fahren will, muss dorthin laufen. Noch haben nicht alle diese Neuerung verstanden. Doch schon bald soll es Fahrpläne geben, feste Zeiten! Dann beginnt das Kalkulieren von Zeit – ein tiefer Einschnitt in das Lebensgefühl des sonst weitgehend zeitlosen Alltags. An der Rustavelli-Straße in Tifis, dem Herzstück der Hauptstadt, leuchten jetzt schon die gelben Sekunden elektronisch und messscharf von der Haltestelle.

Jeder einzelne Autofahrer spürt jetzt die lange Hand des Staates, sobald er in seinen Wagen steigt. Seit wenigen Wochen muss er sich anschnallen, innerhalb und außerhalb der Stadt. Die enorm hohe Zahl der Verkehrstoten wird damit fallen. Doch noch hört man überall lautes Klagen: We have lost our freedom driving!

Ist damit der Zeit der wilden Autofahrten vorbei? Wird jede noch so alte Kiste jetzt mit frischen Haltegurten bestückt? Werden Hochzeitsgäste nicht mehr in dreier-Reihe über einspurige Landstraßen dem Brautpaar hinterherjagen? Wohl kaum! Doch die Zeiten sind vorbei, in denen man Polizisten einfach ignorieren konnte, in denen eine Ampel nett, aber unwichtig war, in denen ein gekränkter Taxifahrer seinen Fahrgast aussteigen ließ, sobald der nach einem Anschnallgurt verlangte.

Werden die Menschen im Kaukasus diese und weitere Veränderungen annehmen? Ich denke ja, wenn auch nicht alle. Denn Europa ist für die meisten ein Vorbild, insbesondere für die Jüngeren, die durch Internet und Fernsehen die westliche Welt kennen.

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