Seid doch laut!

Kirchenglocke in Herrmannstadt, Rumänien

Es war ein leiser, lauter Abend! Veranstalter war der Landesfrauenrat zusammen mit dem Landesamt für Politische Bildung. Die laute Botschaft vermittelten sie leise, die zwei Frauen aus der Friedensbewegung der früheren DDR. Doch so still war es im Saal, dass keine Silbe verloren ging. Mit sanften Stimmen berichteten Almut Ilsen und Elke Westendorff aus ihrem Erleben in der DDR zu Beginn der 1980-er Jahre.

Ein neues Gesetz 1982 brachte das Fass zum Überlaufen. Schon seit den 70-er Jahren hatte das Wettrüsten zwischen Ost und West die Gemüter der Menschen in der Mitte Europas zu Hochspannung gebracht. Wie sicher war das Leben noch, angesichts hunderter neuer Atomsprengköpfe auf beiden Seiten? War man dem irren Wettlauf um immer mehr und immer vernichtender wirkende Waffen hilflos ausgesetzt?

Dann kam in der DDR ein neues Gesetz zur Wehrpflicht, 1982. Frauen sollten, ebenso wie Männer, zur Wehrpflicht eingesetzt werden. Frauen, insbesondere junge Mütter, konnten diese Vorstellung nicht ertragen. Sie machten eine Eingabe oder Petition an die regierenden Instanzen. Doch statt einer Antwort kamen sie auf die Liste der Stasi, der staatlichen Überwachung. Kleine und größere Zusammenkünfte wurden überwacht, Kontakte beobachtet und Telefonate abgehört.

Unterschriftenlisten hatte umgehend einen frühmorgendichen Besuch der staatlichen Aufsicht zur Folge, mit Festnahme oder zumindest Mitnahme zum Verhör. So regelmäßig kamen die Besucher, dass die Familien mit kleinen Kindern vorsichtshalber Vorsorge-Vollmachten ausfüllten, damit die Kleinen im Fall der Falles zu den Großeltern oder zu engen Freunden kamen, und nicht in staatliche Heime.

Die Bewegung hatte mehr und mehr Teilnehmer, die auch unter dem Dach der Kirche einen Platz für Zusammenkünfte fand, im Kern aber keine religiöse Bewegung war, sondern eine politische. 1989 fiel die Berliner Mauer –  die friedliche Revolution der DDR hatte ihr Ziel erreicht, darunter auch die Frauen für den Frieden.

Welch einen Mut hatte diese Menschen! Die ihr eigenes Schicksal und das ihrer Kinder riskierten, um ein freies Leben zu führen und eines, in dem sie die Geschicke ihres Landes mit bestimmen konnten. Das war damals, 1989.

Eine Vertreterin der Bewegung in Belarus RAZEM, Ina Ramienzewa, schilderte die Situation der Oppositions-Bewegung in Belarus heute – einer Frauenbewegung, die dann das ganze Land erfasste. Was kann diese Bewegung von der Friedensbewegung der DDR lernen? Was sind die Unterschiede und was die Gemeinsamkeiten?

Was können wir in Deutschland für die Frauen in Belarus tun? Und was lernen wir hier in Deutschland aus all dem? Netzwerke sind wichtig, Öffentlichkeit schaffen, wahrnehmen, was dort geschieht. Und wir sollten uns bewusst machen, dass Demokratie nicht von allein geschieht. Sie lebt vom Anteil nehmen und mitmachen. Vom laut werden. Vom Stellung beziehen, diskutieren und austauschen. Damit sie lebt, damit Gremien und politische Ämter besetzt sind, und Frauen einen Anteil haben.

Die Botschaft kam leise im Ton, und doch laut und nachhaltig bei dem Zuhörern an.

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